20. SONNTAG im Jahreskreis

Evangelium nach Johannes (6,51-58)

 

Es ist schon viel Unheil geschehen, weil man bestimmte Bibeltexte ganz wortwörtlich genommen, und dadurch falsch verstanden hat. Das klassische Beispiel ist die Schöpfungserzählung, die ein Gedicht ist, ein Lobpreis auf Gott als Schöpfer, der alles gut gemacht hat. Aber man hat es als einen Bericht verstanden, der genau beschreibt, wie alles entstanden ist. Dadurch kam man in Konflikt mit der Wissenschaft und viele behaupteten dann, dass Glaube und moderne Wissenschaft nicht miteinander vereinbar sind und Glaube dann auch naiv ist.

Im heutigen Evangelium stoßen wir wieder auf so ein Beispiel. Die Menschen verstehen die Worte von Jesus falsch, weil sie sie wortwörtlich verstehen. Und dann sind diese natürlich haarsträubend. „Wer mein Fleisch isst und mein Blut trinkt, hat das ewige Leben, und ich werde ihn am letzten Tag vom Tod erwecken. Denn mein Fleisch ist die wahre Nahrung, und mein Blut ist der wahre Trank.“ „Wie kann dieser Mensch uns seinen Leib, sein Fleisch, zu essen geben?“, fragten sie. Und später, während der Christenverfolgungen, hat man wegen dieser Worte den Christen sogar Kannibalismus vorgeworfen. Aber in jeder Eucharistiefeier werden diese Worte noch verwendet: „Nehmt und esst, das ist mein Leib..., trinkt, das ist mein Blut.“ Und wenn wir bei der Kommunion das Hl. Brot empfangen, wird gesagt: „Der Leib Christi.“ Und wir bestätigen das, indem wir antworten: „Amen“.

Für die Zuhörer von Jesus ist seine Forderung, sein Fleisch zu essen und sein Blut zu trinken, verstörend, provokant, eine Zumutung und zugleich rätselhaft. Nach alter jüdisch-orientalischer Auffassung ist das Blut der Sitz des Lebens. Aus diesem Grund war den Juden der Genuss von Blut etwas Abscheuliches, absolut Verbotenes.

Jesus aber spricht meistens eine Bildsprache. Dem Aramäischen, dem Hebräischen, wie allen orientalischen Sprachen ist eine symbolhafte Redeweise eigen. Um Jesus richtig zu verstehen, müssen wir seine Worte in einem metaphorischen, bildhaften, übertragenen Sinne deuten. „Das ist mein Leib", heißt eigentlich: „Das bin ich.“ Ich bin für euch wie Brot, das Leben schenkt. Nehmt mich in euch, in euch selbst auf wie Brot. Meine Worte und dadurch mich sollt ihr „essen“, euch einverleiben, durchkauen, beten, meditieren, im Herzen bewegen.

Wir kennen auch den Ausdruck „Mir ist etwas in Fleisch und Blut übergegangen.“ Das heißt: Ich habe mir etwas so angeeignet, es so verinnerlicht, dass es zu mir gehört, Teil meiner Person geworden ist, so selbstverständlich geworden, dass es wie gewachsen, wie verkörpert, als ein Teil meines Wesens zu mir gehört.

Jesus lädt also zu einer sehr intensiven Vereinigung und Verbundenheit mit ihm ein. Eine herzliche Verbundenheit, wie sie inniger nicht gedacht werden kann. „Wer mein Brot, mein Fleisch isst, „…der bleibt in mir, und ich bleibe in ihm.“ Wer sich von Jesus einladen lässt, übernimmt seine Lebenseinstellungen, seinen Einsatz für Gerechtigkeit, Gewaltlosigkeit, Frieden, sein Engagement für die Armen, die gesellschaftlich Schwachen, die Kranken, die Behinderten, für die Ausgedienten. Wer intensiv mit Jesus verbunden lebt, wird eine neue Art zu leben entdecken. Unser Leben wird nur echtes Leben, Leben mit einem tieferen Inhalt und Sinn, mit der Erfahrung einer Erfüllung - eigentliches, wahres und unvergängliches Leben ... wenn wir in Verbundenheit mit Jesus leben. Das ist der Anspruch den Jesus stellt. Und warum ist das so?

„Und das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt“. Gott hat sich in Jesus uns zugewandt, uns angesprochen. Gott hat in Jesus eine neue Initiative ergriffen. Wer sich mit ihm vereint, der nimmt teil am Leben Gottes. Jesus hat uns einen neuen Zugang zu Gott erschlossen. Deswegen kann er sagen: »Wer mich isst, wird durch mich leben.«

In tiefer Verbundenheit mit Jesus leben ist also für uns „lebensbestimmend“. Dieses tiefe Bewusstsein will Jesus uns - durch seine reiche Bildsprache - vermitteln und uns dazu einladen.

 

Zum Archiv